Liebe Leserin, liebe Leser,
jetzt sitze ich gerade im Flugzeug auf dem Weg nach Hause.
Und obwohl Professionalität auch heißt,das Berufliche und Private voneinander zu trennen, muss ich gerade an ihn denken, einen junger Mann, der sich vor einige Monaten erstmalig in der Praxis vorgestellt hat.
Ein junger Mann, mit einer guten, stabilen Beziehung, erfolgreich im Beruf und auch mit seinem Hobby, dem Musizieren kann er Geld verdienen.
Im Erstgespräch stehen seine depressiven Beschwerden im Vordergrund, aktuell mittelgradig ausgeprägt und diese depressiven Stimmungsschwankungen sind ihm schon seit der Jugendzeit bekannt. Belastender für ihn sind jedoch die vereinzelt auftretenden Panikattacken und noch mehr die Befürchtung, das diese Panikattacken erneut auftreten könnten. Er hatte solch einen Zustand schon mal während einer Autofahrt und auch mal bei einem Musikauftritt, wo er dann das Konzert unterbrechen und später abbrechen musste.
Im weiteren Gesprächsverlauf berichtet er von einen schwierige Kindheit und Jugend mit einer konfliktreichen familiären Situation, wobei gerade sein Vater eine enttäuschende Rolle spielte.
Wir haben im Erstgespräch über die Möglichkeiten einer medikamentösen Behandlung gesprochen und weitere Gesprächstermine vereinbart.
Die ersten Gesprächen blieben etwas schwierig, er zeigte sich zurückhaltend, vermied bestimmte Themenbereiche, blieb auf Distanz, vorsichtig und abwartend.
Unter der medikamentösen Einstellung mit seinem Antidepressivum fühlt er sich ausreichend stabilisiert. Er berichtet aber immer wieder, daß er gequält sei durch seine Gedanken, wobei er dies eher nebenbei mitteilt und er vordergründig auch keinen Leidensdruck zeigt, sondern eher etwas beschämt wirkt.
Es gelingt ihm jedoch nach einiger Zeit sein Empfinden deutlicher zu beschreiben – seine Gedanken rasen durch seinen Kopf, manchmal kann er diese Gedanken nicht sortieren, die Gedanken werden nicht zu Ende gedacht und wechseln schnell. Es fällt ihm dann auch schwer sich zu konzentrieren und mit Ausdauer seine Aufgaben zu bearbeiten. Im Gespräch mit Kollegen muss er sich zusammenreißen um nicht ungeduldig zu wirken. Er meint, dass niemand ihm das anmerke, nur es koste ihn soviel Kraft.
Dann erzählt er auch von seine Kindheit und Jugend. Er hat zweimal wegen Verhaltensauffälligkeiten die Schule gewechselt, ist auch noch zweimal sitzen geblieben, eine Ausbildung hat er abgebrochen, später mit größer Mühe eine Andere beendet. Unterstützung vom Elternhaus gab es nicht, in der Pubertät fand er erstmalig Bestätigung beim musizieren und in seine Musikgruppe.
Jetzt hat er verschiedene Problemfelder: Eine wiederholt auftretende depressive Störung mit Panikattacken, dabei noch Klaustrophobie mit Flugangst (Deswegen musste ich an ihn denken) und auch noch neu: der Verdacht auf ADHS.
Mit dem Antidressivum ist er gut eingestellt, fühlt sich stabilisiert. Da er demnächst wieder fliegen muss habe ich ihm ein Bedarfsmedikation vorgeschlagen. Bedarfsmedikation heiß, dass er dieses Medikament einnehmen kann, wenn er meint, dass er es braucht, natürlich nach Mengenvorgabe meinerseits. Und wegen der Verdachtsdiagnose ADHS wurden einige Diagnostiktermine mit ihm vereinbart. Selbstverständlich nimmt er auch weitere Gesprächsterminen war.
Meine Erwartung ist, dass, wenn sich die Diagnose ADHS bestätigt und wenn diese ADHS entsprechend behandelt wird, seine Depressionen, Panikattacken und seine klaustrophobischen Beschwerden in den Hintergrund treten oder weg sind.
Ich werde berichten…
Wenn Sie noch Fragen oder Anmerkungen haben, dann melden Sie sich gerne, ansonsten bis zum nächsten Beitrag meinerseits,
Herzlichst, Ihr Dolf Hage !