Liebe Leserin, lieber Leser!
Manchmal sind die Erwartungen von Patienten doch etwas zu hoch gesteckt. Es wird sofort eine Veränderung, Hilfe oder Lösung erwartet, manchmal auch eingefordert.
Er war viel herum gereist, geboren in einem Nachbarland und wohnte jetzt seit mehr als einem halben Jahr in Berlin.
Er studiert an der Humboldt Universität französische Literatur und Philosophie. Außerdem finanziert er sein Studium selber indem er ungefähr 20 Stunden in der Woche in einem Büro arbeitet.
Es ist sein erster Kontakt mit einem Psychiater und er wünscht sich dringend Hilfe.
Er erzählt, dass er zunehmend das Gefühl habe, an einer Konzentrationsschwäche
zu leiden, auch sei er vermehrt ablenkbar und habe Schwierigkeiten, ihm anvertrauten Aufgaben zu Ende zu führen.Er tut sich schwer über seine Beschwerden zu sprechen, ist dabei phasenhaft auch emotioniert, weint mehrmals im Gesprächsverlauf.
Nach seinen Angaben hatte er früher in der Schule die gleiche Problemen, ist dabei allerdings nie sitzen geblieben und hatte ein guten Notendurchschnitt beim Abitur. Insgesamt war er als Schüler nie unangenehm aufgefallen. Weitere Fragen meinerseits nach anderen, insbesondere depressiven Beschwerden oder Symptomen werden alle von ihm verneint!
Er selber meint, er habe am Ehesten ein Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom und er fürchte sich vor einer wichtigen Prüfung, die er nächste Woche unbedingt bestehen will oder muss. Und er fragt, was man da denn medikamentös machen könne, damit er zumindest seine Prüfung nächste Woche schaffe!?
Ich habe ihn leider enttäuschen müssen! Ob er wirklich ein ADS – Aufmerksamkeitsdefizit-Defizit- Syndrom hat ist mir auf Grund seiner eigenen Abgaben nicht so deutlich klar geworden, ich empfinde ihn im Gesprächsverlauf eher als depressiv, was er allerdings empört von der Hand weist. Er möchte nur ein Medikament um seine Aufmerksamkeit zu erhöhen.
Ich habe ihm erklärt, dass wir erst noch einen Termin ausmachen müssen für weitere Untersuchungen und Testungen, um mehr Klarheit über seine Diagnose zu bekommen. Ich habe ihm auch erklärt, dass es kein Medikament gibt, das ich ihm aufschreiben kann oder will, dass ihm nächste Woche schon bei seiner Prüfung helfen wird.
Er ist eindeutig enttäuscht, ist allerdings damit einverstanden, einen Folgetermin zu vereinbaren – wobei ich momentan noch nicht sicher bin, ob er diesen Termin wahrnehmen wird. Wir werden sehen…
Wenn Sie noch Fragen oder Anmerkungen haben, melden Sie sich, ansonsten:
Bis zum nächsten Beitrag meinerseits
Herzlichst
Ihr Dolf Hage