Liebe Leserin, lieber Leser !
Es muss nicht immer gleich Krankheitswert haben oder eine psychiatrische Diagnose zugeordnet werden.
Auf meine Frage, was ich für sie tun kann, sagt sie, dass ihr Freund meint, dass sie sich mal auf ADS ( Aufmerksamkeitsdefizit-Defizit-Syndrom ) untersuchen lassen sollte. Ihr Freund ist genervt, weil sie immer zu spät kommt, ihm nicht zuhört und Absprachen vergisst. Sie selber meint, dass sie sich schlecht konzentrieren und sich schlecht Dinge merken kann.
Sie hat die Grundschule besucht, danach die Realschule und später Abitur gemacht. Sie hat dabei nie eine Klasse wiederholt und hatte einen Abiturnotenschnitt von 2,8. Während der Schulzeit hatte sie gute Freundinnen und Freunde, war in einer Clique und war Klassensprecherin. An eigene Verhaltensauffälligkeiten kann sie sich nicht erinnern.
Sie hat nach dem Abitur angefangen zu studieren und ihr Studium der Soziologie erfolgreich in der vorgeschriebene Zeit beendet, danach in verschiedenen Jobs gearbeitet. Jetzt ist sie seit 2 Jahren in führender Position in einem Start-Up beschäftigt. Sie wird von allen anderen Mitarbeitern geschätzt und die Arbeit macht ihr auch Spaß, …wenn da nur diese mangelnde Konzentration und Gedächtnisschwäche nicht wäre!
Eine in unserer Praxis durchgeführte Testung auf ADS/ADHS war völlig unauffällig und auch in der Untersuchungssituation ergaben sich keinerlei Hinweise auf psychopathologische Besonderheiten.
Im weiteren Gesprächsverlauf erzählt sie, dass sie Einzelkind sei. Ihre Eltern haben eine eigene Firma gegründet und sind damit sehr erfolgreich. Ihre Eltern haben immer hohe Erwartungen an sie gestellt, die sie jedoch nach eigener Einschätzung nicht erfüllen konnte.
Meiner Einschätzung nach liegt hier keinerlei psychiatrische Problematik vor, eher besteht ein zu hoher Anspruch an die eigene Leistungsfähigkeit, den sie nicht erfüllen kann und den sie bei sich selber mit Konzentrationsstörungen und Gedächtnisschwäche entschuldigt. Dies ist allerdings ein Problem, welches man nicht medikamentös beseitigen kann; eher durch Coaching oder Psychotherapie.
Und…. leider kann sie sich nun bei ihrem Freund nicht mehr damit „entschuldigen“, dass sie unter ADS leidet. Hier ist wohl etwas mehr Selbstsicherheit, Selbstdisziplin und Engagement gefragt.
Wenn Sie noch Fragen oder Anmerkungen haben, melden Sie sich, ansonsten: Bis zum nächsten Beitrag meinerseits.
Herzlichst
Ihr Dolf Hage