Liebe Leserin, lieber Leser!
Er war vor einigen Monaten schon einmal in der Sprechstunde, hatte dann allerdings einen Folgetermin nicht wahrgenommen was er jetzt damit erklärte, dass er nach dem ersten Termin einen schweren Rückfall hatte und sich geschämt habe.
Er ist ärztlicher Kollege und hat eine Schlafmittel Abhängigkeit. Er nimmt Zolpidem in größeren Mengen, hat allerdings auch längere Phasen der Abstinenz.
Jetzt kommt er notfallmäßig. Er hat erneut einen schweren Rückfall, mit bis zu 20 Tabletten vom Schlafmittel am Tag. Er fühlt sich völlig überfordert, kann seine berufliche Tätigkeit nicht ausüben und benötigt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.
Im Laufe des Gespräch kommen wir auf Abhängigkeit und Suchtkrankheit zu sprechen, ich sage ihm, dass er süchtig sei. Dies kann er akzeptieren, sagt dann aber auch: „Ich habe schon von Kind an psychische Probleme.“
Er berichtet, dass er immer sehr gelitten habe unter einer Lärmüberempfindlichkeit und dass er immer größere Menschenansammlungen gemieden habe. Er komme überhaupt nicht gut zurecht mit anderen Menschen, könne nicht verstehen warum andere Menschen immer so verärgert über ihn oder irritiert von ihn seien. Auch könne er in Gesprächen nie die Gefühle oder Emotionen von Anderen einschätzen, meist beenden die Anderen das Gespräch vorzeitig.
Er habe immer unter innerer Anspannung und Nervosität gelitten, schon früh angefangen exzessiv Alkohol zu trinken, auch mit Drogen experimentiert und opiathaltigen Medikamente, Schlaf- und Beruhigungsmittel eingenommen. Als Arzt könnte er sich problemlos verschiedenste Medikamente besorgen. Nach viele Jahren konsumiere er jetzt nur noch das Schlafmittel Zolpidem.
Er hat sich als Laborarzt einen Beruf gesucht, indem er relativ selbständig arbeiten kann ohne viel Kontakt mit Kollegen und ohne Patientenkontakt. Eine länger dauernde Beziehung hatte er bis jetzt noch nie. Er lebt allein mit sporadischem Kontakt zu seinen Angehörigen.
Deutlich wird bei ihm, dass zwar eine Suchtkrankheit vorliegt, aber das dieses Suchtproblem fast sekundär ist, entstanden aus einer anderen Problematik – hier möglicherweise eine Persönlichkeitsstörung aus dem Autismus-Spektrum.
Er hat noch nie mit irgendjemanden über seine Probleme gesprochen und auch noch nie professionelle Hilfe in Anspruch genommen. Er ist nach dem Gespräch erleichtert. Wir vereinbaren einen Folgetermin, er will versuchen wieder ein Abstinenzphase einzulegen und ich habe ihm zur Unterstützung ein leichtes Antidepressivum aufgeschrieben. Das Wichtigste erscheint mir, ihm eine Anlaufstelle anzubieten, um in weiteren Gesprächen zu schauen welche Möglichkeiten für ihn hilfreich sein können.
Erstmal so weit für heute, wenn Sie noch Fragen oder Anmerkungen haben, melden Sie sich. Ansonsten: Bis zum nächsten Beitrag meinerseits.
Herzlichst,
Ihr Dolf Hage