Liebe Leserin, lieber Leser
jetzt, Monate nach dem Lockdown habe ich mich entschieden, endlich mal wieder die deutsche Bundesbahn zu nutzen. Leider war meine erste Reise seit Langem mit 135 Minuten Verspätung kein großer Erfolg. Was mich jedoch überrascht hat – mit welcher Gelassenheit meine Mitreisenden diese Verspätung hin genommen haben.
Am Anfang der Corona-Krise haben wir uns schon Sorgen gemacht, wie es unseren Patienten geht mit all der Unsicherheit, den Einschränkungen und Bedrohungen für die Gesundheit.
Und erstaunlicherweise ist es bei den uns bekannten Angstpatienten, hypochondrisch veranlagten Menschen und Zwangserkrankten zu keinerlei Verschlechterung der bestehende Beschwerden und Symptomen gekommen. Selbstverständlich war in fast jedem Patientenkontakt Corona ein Thema, aber da ging es doch mehr um allgemein gesellschaftliche und wirtschaftliche Sorgen.
Am meisten betroffen und erschöpft waren nach mehreren Monaten die Eltern, meist Mütter, die mit einer vielschichtigen Belastung zu kämpfen hatten: die gewohnten Tätigkeiten zuhause, berufliches Tun, eventuell auch noch im Homeoffice und die ganztägige Kinderbetreuung mit Begleitung der Schulaufgaben.
Was mir Sorgen bereitet, ist das veränderte soziale Verhalten der Menschen – auch wenn es aus pandemischer Sicht gute Gründen dafür gibt. Es finden fast keine körperlichen Kontakte mehr statt, keine Handberührung, kein Umarmen oder Schulterklopfen, kein Wangenkuss. Wir bleiben auf Distanz zu einander, Vertrautheit und Intimität gehen verloren. Wir betrachten unsere Mitmenschen zunehmend misstrauisch. Was früher normal war ist jetzt eine Bedrohung, wenn jemand keinen Mund-und Nasenschutz trägt oder in der Öffentlichkeit niest betrachten wir dies als einen persönlichen Angriff, meiden und verurteilen diese Menschen.
Die Körpersprache wird reduziert, weil ich keine Gesichtsmimik mehr sehen kann. So sah sich eine Servicekraft in der Gastronomie genötigt nach dem Vorbeigehen nochmals zurück zu kommen um mir mitzuteilen, dass sie mich gerade angelachelt
habe… früher wäre dies selbsterklärend gewesen.
Es stellt sich Frage, wie sich diese Veränderungen in der Zukunft auf die zwischenmenschlichen Beziehungen, auf die Beziehungsgestaltung und Beziehungsfähigkeit auswirken.
Und wie immer: Es gibt auch Gewinner. So habe ich Werbung bekommen von einer Psychiatrie/ Psychotherapie Klinik, die jetzt neu eine Behandlung des Covid-19-Syndroms anbieten „für Menschen, die aufgrund der Auswirkungen von Covid-19 und der psychosozialen Folgen der Pandemie psychosomatisch erkrankt sind“.
Wenn Sie noch Fragen oder Anmerkungen haben melden Sie sich, ansonsten: Bis zum nächsten Beitrag meinerseits.
Herzlichst, Ihr Dolf Hage