„Wir sind hier ja nicht im Görli!“

Liebe Leserin, lieber Leser!

Noch heute morgen sagte ein Patient zu mir, daß ich als Psychiater ihm doch bestimmt empfehlen würde, Medikamente ein zu nehmen. Es ist wohl ein bekanntes Vorurteil, dass der Psychiater nicht redet, sondern erst mal zum Rezeptblock greift!Noch heute morgen sagte ein Patient zu mir, daß ich als Psychiater ihm doch bestimmt empfehlen würde, Medikamente ein zu nehmen. Es ist wohl ein bekanntes Vorurteil, dass der Psychiater nicht redet, sondern erst mal zum Rezeptblock greift! Weit daneben gegriffen — ich habe zwar keine Statistik geführt, aber ich schätze mal, dass der Hälfte der Patienten durch Gespräche geholfen wird und der andere Hälfte mit Gesprächen und begleitender Medikation.
Es gibt allerdings auch Patientinnen/Patienten, die nicht reden, sondern nur Medikamente haben wollen. So wie dieser Mann, Anfang vierzig, der berichtet, daß er in seiner Firma klein angefangen und jetzt eine verantwortungsvolle, leitungsgebende Funktion inne habe. Er habe nun jedoch zunehmend Schwierigkeiten Meetings zu leiten und im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Schon im Vorfeld, wenn er daran denkt, kriegt er Schweißausbrüche, Herzrasen und zittrige Hände .
Nebenbei deutet er noch familiäre Schwierigkeiten an. Seine eheliche Beziehung ist momentan nicht zufriedenstellend, sein pubertierender Sohn rebelliert gegen ihm, eine Renovierungsmassnahme im Haus steht an.
Auf meine Bemerkung, dass es momentan vielleicht auch alles ein wenig zu viel für ihn ist, geht er nicht ein — sein Wunsch ist ein Medikament zu bekommen, dass er bei Bedarf einnehmen kann um derartige Stress-Situationen besser zu bewältigen. Weiteren Gesprächsbedarf sieht er für sich nicht „ da doch eigentlich alles in Ordnung sei„.
Eine derartiger Bedarfsmedikation kann durchaus sinnvoll sein, wenn eine Dauermedikation nicht notwendig ist — ich nehme dann nur ein Medikament ein, wenn es die Situation erforderlich macht und manchmal reicht schon das Wissen, dass ich ein Medikament dabei habe, was ich notfalls einnehmen könnte.
Ich habe ihn natürlich auch auf die Möglichkeit einer psychotherapeutischen Behandlung hingewiesen, aber das hat er gleich weit von sich gewiesen. Ich habe ihm dann eine kleine Packung eines leichteres Beruhigungsmittel aufgeschrieben.

Wenn Sie noch Fragen oder Anmerkungen haben, melden Sie sich, ansonsten: Bis zum na?chsten Beitrag meinerseits.

Herzlichst,

Ihr Dolf Hage

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