Liebe Leserin, lieber Leser,
sie war eine Frau in bestem Alter, beruflich selbständig und erfolgreich tätig. Nicht verheiratet, aber nach ihren eigenen Angaben glücklich in der seit einigen Jahren bestehende Beziehung. Sie wirkte selbstsicher im Auftreten, war gut aussehend, gut gekleidet und sprachgewandt.
Sie erzählt dann, dass ihre Mutter vor 3 Monaten an Krebs gestorben sei, ihre Mutter musste nicht lange Leiden, war 83 Jahre alt geworden. Selbstverständlich sei sie traurig, dass ihre Mutter nicht mehr da sei und betont, damit gut zurecht zu kommen.
Dann berichtet sie, dass sie vor vielen Jahren in einen Autounfall auf der Autobahn verwickelt gewesen sei, dabei ist eine Frau tödlich verunglückt, eine Mutter von 3 Kinder. Die Patientin war Zeugin bei der anschließenden gerichtlichen Auseinandersetzung. Um das alles für sich zu verarbeiten, habe sie damals über 2 Jahre ambulante psychotherapeutische Behandlung in Anspruch genommen, auch antidepressive Medikamenten eingenommen und sie hatte für sich das Gefühl, nach dieser Behandlung alles gut seelisch bewältigt zu haben, sie konnte uneingeschränkt ihr Leben leben.
Jetzt nach dem Tod der Mutter kommen die Erinnerungen und Bilder an diesen Unfall wieder, sie hat Alpträume und das Gefühl, dass sich über alles ein Grauschleier legt , auch über ihr Gefühlsleben. Sie ist reizbarer und unkonzentrierter am Arbeitsplatz.
In der jetzige Untersuchungssituation zeigte sie sich irritiert und hilflos über diese Beschwerden, sie triitt auch sehr emotional auf.
Sie kann diese Beschwerden deutlich von ihre Trauer um den Verlust der Mutter trennen.
Ich spüre, dass ihre Trauer um die Mutter völlig normal und auch unbedingt notwendig ist. Die anderen Symptome, die sie beschreibt, deuten differentialdiagnostisch eher auf eine PTBS hin, eine posttraumatische Belastungsstörung .
Bestimmte Ereignisse, wie hier möglicherweise der Tod der Mutter, aktualisieren frühere Erfahrungen, Erinnerungen und Bilder mit entsprechender emotionaler Belastung und hohem seelischen Leidensdruck. Ungewöhnlich ist hier der lange Zeitraum zwischen dem damaligen Unfalltrauma und dem jetzt erneuten Auftreten von solchen Beschwerden.
Demnächst mehr , wenn Sie Fragen oder Anmerkungen haben melden Sie sich , ansonsten: Bis zum nächsten Beitrag meinerseits.
Herzlichst , Ihr Dolf Hage